Wie das digitale Zeitalter unseren Horizont verringert

Vorbei sind die Zeiten, in denen man seine Informationen im Wesentlichen aus der gedruckten Presse sowie Nachrichtensendungen entnommen hat. Die Allgegenwärtigkeit des Internets via traditionellen Computern, Telefonen und Tablets, neuerdings gar auch Armbanduhren, Brillen und Kleidung, hat unsere Informationsakquise schlagartig verändert – zumindest für große Teile der jungen und jung gebliebenen deutschen Bevölkerung.

Unbestritten ist, dass diese neue digitale Zeitrechnung mit einem noch nie dagewesenen Informationsschwall auf uns wartet. Wir haben – zumindest theoretisch – Zugang zu einer Informationsfülle jenseits unserer Vorstellungskraft. Sollten wir also dem Internet nicht dankbar sein? Wissen wir nicht alle, dass Bildung und Wissen die Grundlage für ein erfülltes und erfolgreiches Leben darstellen?

Nun, auf dem Papier hört sich das alles ganz wunderbar an. Woran liegt es dann, dass die digital natives (geboren ab 1980) nicht wandelnde Enzyklopädien sind und der Gesellschaft den Weg in eine rosige Zukunft ebnen?

Abgesehen davon, dass vielleicht nicht jeder danach strebt, gesellschaftlich erwünschtes Wissen zu maximieren, liegt dies gerade mit Bezug zu politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen an unserer psychischen Polung. Genauer gesagt, an dem was Psychologen ‚Bestätigungsfehler‘ (confirmation bias) nennen. Dieser besagt, dass wir aufnahmefähiger für Informationen sind, die unsere existierenden Überzeugungen bestärken, während wir anderweitige Meinungen ablehnen. Dies ist dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung im Resultat nicht unähnlich, da es die eigene Sichtweise bestärkt – unabhängig davon, wie überzeugend sie objektiv auch sein mag.

Dies ist natürlich nichts wirklich Neues. Allerdings hat das digitale Zeitalter die Informationsbüchse der Pandora geöffnet, da die gewünschten Meinungen nur einen Mausklick oder einen Wisch entfernt sind. Welche Überzeugung man zu ökonomischen, politischen, sozialen oder sonstigen Fragestellungen auch haben mag, ein Befürworter der eigenen Sichtweise kann man innerhalb von Minuten wenn nicht Sekunden finden.

Wie Algorithmen Meinungen bilden

Und wenn dies noch nicht schlimm genug ist, dann muss man sich nur einmal anschauen, wie die großen Internetdienstleister, allen voran die Suchmaschinenbetreiber, diesem Trend dienend zur Seite stehen. Denn was steckt im Wesentlichen hinter Suchmaschinen-Algorithmen? Der Nutzer soll die ihm bestmöglich erscheinenden Suchergebnisse bekommen. Diese werden zumindest zum Teil dadurch generiert, dass durch Konten, Cookies und Co. Suchhistorien und Klicks miteinbezogen werden. In anderen Worten: wer davon überzeugt ist, dass die führenden US Politiker in Wahrheit außerirdische Kakerlaken sind (eine gar nicht so unbekannte Verschwörungstheorie), wird bei regierungs-bezogenen Suchwörtern früher oder später Beiträge von Menschen angezeigt bekommen, die diese Überzeugung teilen.

Und sonst? Beispielsweise Facebook arbeitet schon länger daran, dass einem Meinungen von Freunden, welche nicht mit der eigenen Überzeugung einhergehen (beispielsweise linke vs rechte politische Ansichten), nicht mehr (so häufig) im News Feed angezeigt werden während man sich vor Meldungen Gleichgesinnter kaum retten kann – wenn man mit diesen denn befreundet ist. Damit werden dann auch die wenigen potentiell kritischen Stimmen im eigenen Umfeld zunehmend mundtot gemacht.

Und wenn man online einkauft? Nicht nur Amazon schlägt Produkte vor, die vorher angesehen wurden, gekauften Produkten ähneln oder von ähnlichen Kunden gekauft wurden. Das mag bei Töpfen, Batterien oder Windeln ganz hilfreich sein – aber ist es das auch zwangsläufig bei Sachbüchern oder Dokumentationen?

Was also tun?

Wissenschaftliche Daten zu den gesundheitlichen Risiken von Zigarettenkonsum gibt es zur Genüge. Sie sind problemlos auffindbar und es gibt kaum jemanden der die Kernaspekte bestreiten würde (wobei eine kurze Suche zeigt, dass man auch schnell anders lautende Behauptungen finden kann). Warum beginnen Menschen dann zu Rauchen?

Die objektive Wahrheit Menschen entgegenzuhalten – in anderen Worten: die eigene Überzeugung – mag dem eigenen Ego nutzen, wird jemanden aber in der Regel nicht nachhaltig überzeugen. Dies wird oftmals als herablassend oder bevormunded aufgefasst und verfestigt nur die Anti-Meinung. Was hilft, ist sich auf jemanden und seine Meinung einzulassen und dessen Perspektive (und vielleicht auch die eigene) Stück für Stück zu erweitern.

Darüber hinaus sollte man aber natürlich auch für sich selbst aktiv werden und die eigenen ausgetretenen digitalen Pfade verlassen:
* eine andere als die übliche Suchmaschine nutzen (beispielsweise DuckDuckGo)
* die präferierte Suchmaschine über ein ‚Inkognito-Fenster‘ des Browsers nutzen (oder vorher aus seinem Account ausloggen und Cookies löschen)
* öfters bei der Startseite von Wikipedia vorbeischauen oder einen zufälligen Artikel lesen
* nicht immer (nur) die gleichen Nachrichtenportale lesen (Spiegel Online oder Zeit Online? Warum nicht mal eine in- oder ausländische Alternative? Beispielsweise taz, Handelsblatt oder NZZ)
* digital wie auch persönlich häufiger das Gespräch mit Menschen suchen, die dezidiert andere Auffassungen haben
* Lifestylemoral lesen (check), unseren RSS-Feed abonnieren, bei Instagram, Twitter, und Pinterest vorbeischauen!

‚Enclothed Cognition‘, oder: Wie uns unsere eigene Kleidung beeinflusst

h5404_ru_key_artist_krausnad_gym
Photo
von Adisnet / CC BY-SA 2.0

Kleider machen Leute, das wissen wir alle. Wir behandeln jemanden in Polizei-Uniform oder Arztkittel anders als jemanden im La Martina Hemd (falls die je fashionable waren – nun sind sie es ganz bestimmt nicht mehr) oder in verdreckter Kleidung. Aber welchen Einfluss hat die Kleidung an unserem Leib auf unsere Psyche?

Wir passen uns emotional an unser Outfit an: gute Laune im Partyoutfit oder ein seriöseres Auftreten im Dreiteiler. Wir sind auch sportlicher – oder zumindest motivierter, Sport zu treiben – wenn wir uns in modische Funktionskleidung zwängen. Zu dem Thema gibt es beispielsweise beim Atlantic einen interessanten Artikel: Psychology of Lululemon: How Fashion Affects Fitness (wie der Name erwarten lässt, auf Englisch). Hier wird über die Effekte des seit Jahren in den USA um sich greifenden Yoga Pants Fashiontrends berichtet und erklärt, dass das Tragen von Sportkleidung Menschen motiviert, häufiger Sport zu treiben. Aber das passiert im Alltag natürlich nur, wenn diese auch fashionable ist (dennoch: auf der Arbeit haben die pinken Laufschuhe und Funktions-T-Shirts aber nichts zu suchen – auch nicht an Casual Fridays).

Kann Kleidung aber tatsächlich auch unsere intellektuelle Leistungsfähigkeit steigern? In einem meiner liebsten Podcasts wurde diese Frage kürzlich thematisiert: You Are Not So Smart Podcast #25: How the clothes you wear change your perceptions and behaviors with Hajo Adam. Adam (Assistenzprofessor für Management an der Rice University in Houston, Texas) stellte fest, dass Menschen bessere Resultate bei kognitiven Tests zeigten, wenn sie beispielsweise einen Kittel trugen, der ihnen als Arztkittel in die Hand gedrückt wurde. Die Probanden, die den gleichen Kittel als Malerkittel überreicht bekamen, schnitten schlechter ab.

Was kann man also von der Studie mitnehmen? Auch wenn es im Prinzip eine Binsenweisheit ist, wir sollten uns regelmäßiger der Situation entsprechend kleiden. Wenn wir also zuhause für die nächste Prüfung lernen wollen oder diese eine Präsentation für das Meeting am nächsten Morgen noch fertigstellen müssen, dann setzen wir uns besser nicht in Pyjamas an den Schreibtisch (und schon gar nicht in Unterwäsche). Wenn wir Sport treiben wollen, kann es nicht schaden, statt Jogginghose Funktionskleidung zu tragen (abgesehen davon, dass dies einen deutlichen Komfort- und oft auch Leistungsunterschied macht). Und auch bei einem künftigen Date sollte man sich vielleicht nicht nur fragen, welchen Eindruck das eigene Outfit beim Gegenüber macht – sondern auch, welchen Einfluss es auf unser eigenes Verhalten und Selbstvertrauen hat.

Gert

Gert

Weltenbummler, Maven und Teilzeitnerd. Beschäftigt sich mit den wichtigeren Fragen im Leben. Manchmal.
Gert